VITA Zahnfabrik
H. Rauter GmbH & Co. KG
Spitalgasse 3
79713 Bad Säckingen
Klinische Schadensanalytik bei Dentalwerkstoffen für besseren Langzeiterfolg
In den vergangen zehn Jahren erlebten Zahnärzte und Zahntechniker eine Vielzahl von Innovationen, sodass sie heute mit einer enormen Material- und Variantenvielfalt konfrontiert sind. Dies bringt eine immer höhere Komplexität in den Praxis- und Laboralltag, da für viele Werkstoffe bzw. Werkstoffvarianten unterschiedlichste Herstellervorgaben zur Verarbeitung zu beachten sind. Diese steigende Komplexität kann das Fehlerrisiko bei der zahntechnischen und klinischen Anwendung erhöhen. Im folgenden Interview berichtet die Zahntechnikerin und Dentaltechnologin Kathleen Kaufman, wie sie mithilfe der klinischen Schadensanalytik (Fraktografie) häufige Ursachen für Chipping oder Frakturen erkennen kann. Ziel ist es, Empfehlungen zur Fehlervermeidung zu erarbeiten, um klinischen Langzeiterfolg zu ermöglichen.
DV: Wie wird bei der klinischen Schadensanalyse vorgegangen und welche Verfahren werden eingesetzt?
Kathleen Kaufman: Bei der Schadensanalytik werden defekte Versorgungen mittels unterschiedlicher Verfahren untersucht, um die Fehlerursache zu ermitteln. Häufig wird dazu ein Rasterelektronenmikroskop (REM) eingesetzt. Mit diesem Mikroskop können wir beispielsweise bei bis zu 100.000-facher Vergrößerung die Bruchflächen frakturierter Restaurationen analysieren. Bei dieser Vergrößerung lassen sich aus Art und Struktur der Bruchfläche Rückschlüsse zur Ursache des Materialversagens ableiten. Auf Basis dieser Erkenntnisse können dann konkrete Empfehlungen für die sichere Verarbeitung verfasst werden.
DV: Wie lassen sich bereits bei der Planung und Konstruktion von Versorgungen Fraktur- oder Chippingrisiken minimieren?
Kathleen Kaufman: Materialversagen oder Chipping können ihren Ursprung tatsächlich bereits in der Planungs- bzw. Konstruktionsphase haben. Bei der REM-Analyse von verblendeten Zirkondioxidrestaurationen hat sich unter anderem beispielsweise gezeigt, dass Keramikabplatzungen oft auf eine fehlende Gerüstunterstützung der Verblendung zurückzuführen sind. Hier empfiehlt es sich, das Gerüst möglichst anatomisch zu gestalten, sodass beim Verblenden stets gleichmäßige Schichtstärken erzielt werden können. Die Unterschreitung von Mindestwandstärken, zu geringe Verbinderquerschnitte sowie fehlerhaft dimensionierte Verbinder sind weitere Parameter, die das Frakturrisiko erhöhen.
DV: Welche Erkenntnisse bietet die Schadensanalytik zur sicheren und materialgerechten Verarbeitung von Zirkondioxid?
Kathleen Kaufman: Für die Fraktur von Zirkondioxidgerüsten ist häufig eine punktuelle Bearbeitung mit verschlissenen Diamantschleifkörpern oder mit der Separierscheibe verantwortlich. Über die Schadensanalytik mittels REM lässt sich erkennen, dass oftmals von diesen Stellen ein Risswachstum ausgeht, welches zum Materialversagen führt. Generell sollte die Nachbearbeitung von Gerüsten deshalb immer vor der Sinterung und niemals am Verbinder selbst erfolgen. Darüber hinaus ist auf eine niedrige Drehzahl sowie einen geringen Anpressdruck zu achten, um Überhitzung zu vermeiden. Schließlich sollte das Gerüst so ausgearbeitet sein, dass es keine scharfen Ecken und Kanten aufweist, da dies zu Spannungen in der Verblendkeramik führen kann.
DV: Welche potenziellen Fehlerquellen konnten Sie bei Ihren Untersuchungen beim Brennen von Glaskeramik feststellen?
Kathleen Kaufman: Bei glaskeramischen Versorgungen zeigte sich, dass die strikte Einhaltung der Herstellervorgaben zur Kristallisation wichtig ist, um Defekte zu vermeiden. Wenn eine Restauration beispielsweise direkt auf einem Keramikstift kristallisiert wird, kann der Brennstift an der Krone anhaften. Wird die Krone nach dem Brand vom Brennstift und -träger genommen, kann dies bereits Mikrorisse verursachen. Mittels Brennpaste oder Platinpins lässt sich eine solche Materialschädigung jedoch vermeiden.
DV: Welche möglichen Risikofaktoren konnten Sie beim klinischen Einsatz keramischer Werkstoffe in der Zahnarztpraxis ermitteln?
Kathleen Kaufman: Bei der Einprobe wird die Versorgung häufig nochmals eingeschliffen. Hier muss anschließend unbedingt eine Politur oder besser noch eine erneute Glasur der bearbeiteten Flächen erfolgen. Untersuchungen zeigen, dass durch die manuelle Bearbeitung mit diamantierten Instrumenten oftmals Mikrorisse in das Material eingebracht werden. Durch die Kaubelastung und die Feuchtigkeit in der Mundhöhle kann dies zu weiterem Risswachstum führen, bis hin zum teilweisen oder vollständigen Restaurationsversagen.
Bericht 07/19
Kathleen Kaufman, Bad Säckingen, Deutschland
Abb. 1a: Das Gerüst wurde aus ästhetischen Gründen zwischen 31 und 41 nach der Sinterung separiert.
Abb. 1b: Die Rissbildung, die schließlich zur Fraktur führte, ging von der inzisal geschädigten Gerüststruktur aus.
Abb. 1c: Detailansicht im REM zeigt den separierten Gerüstanteil als Bruchauslöser.
Abb. 2a: Nach Glanzbrand frakturierte glaskeramische Krone.
Abb. 2b: Ein mit der Krone „versinterter“ Keramikstift führte beim Herunternehmen der Restauration zu einer Oberflächenschädigung.
Abb.2c: Die Detailansicht im REM zeigt den Eindruck des Brennstiftes sowie den Bruchauslöser.