Implantatgetragene polychrome Kronenrekonstruktion aus Hybridkeramik
Restaurationen auf Implantaten sind besonders hohen Belastungen ausgesetzt. Nach Extraktion und Implantation fehlt dem Patienten der elastische Faserapparat des natürlichen Zahnbetts. Dadurch werden Kaukräfte nicht absorbiert, sondern direkt auf die Restauration, das Implantat, den Knochen sowie die Gegenbezahnung übertragen. Die Hybridkeramik VITA ENAMIC (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland) verfügt über eine duale Netzwerkstruktur aus Keramik (86 Gew.-%) und Polymer (14 Gew.-%). Daraus resultieren eine dentinähnliche Elastizität und die Fähigkeit, Kaukräfte zu absorbieren. Der polychrome Rohling VITA ENAMIC multiColor in der Geometrie EMC-16 ermöglicht aufgrund seiner hohen vertikalen Dimension auch bei atrophiertem Knochen die Herstellung einteiliger, monolithischer Abutmentkronen. Zahnarzt Professor Dr. Alexander Hassel (Mannheim, Deutschland) zeigt im folgenden Beitrag, wie er eine Patientin mit dieser Restaurationsform versorgt.
1. Ausgangssituation
Eine 53-jährige Patientin wurde aufgrund von Aufbissbeschwerden in der Zahnarztpraxis vorstellig. Radiologisch und klinisch wurde beim endodontisch behandelten Zahn 26 eine Wurzelfraktur diagnostiziert. Der Zahn wurde daraufhin knochenschonend extrahiert. Da die Patientin einen herausnehmbaren Zahnersatz und eine invasive Brückenpräparation an den Zähnen 25 und 27 ablehnte, entschied man sich für einen Lückenschluss mit einer implantologischen Versorgung. Eine frühere Parodontitis war bei der Patientin therapiert und das Behandlungsergebnis durch eine engmaschige Prophylaxe stabilisiert worden. In regio 26 zeigte sich der Kieferknochen atrophiert, weshalb der polychrome Hybridkeramikrohling VITA ENAMIC multiColor in der Geometrie EMC-16 für die CAD/CAM-gestützte Versorgung der Patientin ausgewählt wurde.
2. Implantation und Abformung
Ein OsseoSpeed EV-Implantat (Dentsply Sirona, Mannheim, Deutschland) wurde in regio 26 inseriert und konnte nach einer Einheilzeit von drei Monaten offen abgeformt werden. Für die Abformung mit Impregum (3M, Seefeld, Deutschland) wurde ein VITA-Einmal-Abdrucklöffel gezielt im Bereich des Implantats perforiert. Auf dieser Grundlage wurde ein Meistermodell hergestellt und im Laborscanner inEos X5 (Dentsply Sirona, Bensheim, Deutschland) digitalisiert. Mit der Software exocad (exocad, Darmstadt, Deutschland) konnte nun die Krone konstruiert werden. Passend zum individuellen Abutment und zum Schraubenkanaldurchmesser wurde eine Abutmentkrone mit integriertem Schraubenkanal designt.
3. Herstellung Abutmentkrone
Mit der Fräseinheit N4 (vhf camfacture, Ammerbuch, Deutschland) wurde die Abutmentkrone nass herausgeschliffen. Das individuelle Abutment wurde vor der adhäsiven Verklebung abgestrahlt und mit einem Metallprimer konditioniert. Die Klebeflächen und der Schraubenkanal der Abutmentkrone wurden mit Flusssäure geätzt und anschließend silanisiert. Der Zementspalt und die Abutmentkrone konnten nach der Härtung des Befestigungskomposits unter einem Airblock ausgearbeitet und poliert werden. Die implantatprothetische Versorgung wurde daraufhin intraoral eingeschraubt und die Approximalkontakte sowie die Okklusion wurden überprüft. Nach der Einlage von Teflonband konnte der Schraubenkanal mit Füllungskomposit adhäsiv verschlossen werden.
4. Zeiteffizienes, ästhetisches Ergebnis
Dank der hohen vertikalen Dimension des VITA ENAMIC multiColor EMC-16-Rohlings und der exzellenten CAM-Verarbeitungseigenschaften der Hybridkeramik konnte trotz vorliegender Knochenatrophie in regio 26 zeiteffizient eine ästhetische Abutmentkrone CAD/CAM-gestützt gefertigt werden. Durch die monolithische Versorgungsart lässt sich das Chippingrisiko signifikant reduzieren. Ferner zeigen Labortests, dass die Hybridkeramik aufgrund ihrer dualen Netzwerkstruktur über die Fähigkeit verfügt, eine möglicherweise auftretende, initiale Rissbildung zu stoppen. Dies lässt eine gute klinische Langzeitstabilität erwarten. Die externe Verklebung verhindert Zementreste im Sulkus und beugt damit einer Periimplantitis vor. Bei der Nachkontrolle nach einer Woche war die Patientin begeistert von dem natürlichen Kaugefühl und der Lebendigkeit der hybridkeramischen Versorgung. Bei der Inspektion zeigten sich eine entzündungsfreie, ästhetisch ausgeformte Gingiva und das natürliche Farb- und Lichtspiel der polychromen Hybridkeramikkrone.
Bericht 07/19
Prof. Dr. Alexander Hassel, Mannheim, Deutschland
Abb.1: Ausgangssituation: Das Implantat an 26 nach einer Einheilzeit von drei Monaten.
Abb. 2: Um den Gingivaformer zeigten sich stabile und entzündungsfreie Weichgewebsverhältnisse.
Abb. 3: Nach dem Ausschrauben des Gingivaformers zeigte sich das ausgeformte Emergenzprofil.
Abb. 4: Das osseointegrierte Implantat mit aufgeschraubtem Abformpfosten.
Abb. 5: Die Fixationsabformung wurde mit perforiertem Löffel offen durchgeführt.
Abb. 6: Mittels CAD-Software wurde eine Abutmentkrone mit Schraubenkanal konstruiert.
Abb. 7: Mittels vertikaler Positionierung der Krone im virtuellen Rohling konnte der Farbverlauf gezielt gesteuert werden.
Abb. 8: Die auf dem individuellen Abutment adhäsiv befestigte Abutmentkrone.
Abb. 9: Über den Schraubenkanal kann die Abutmentkrone intraoral verschraubt werden.
Abb. 10: Nach dem Einsetzen wurde der Schraubenkanal mit Komposit verschlossen.
Abb. 11: Ergebnis: Die Abutmentkrone integrierte sich harmonisch in die natürliche Restbezahnung.