Implantatprothetische Kronenversorgung mit zahnähnlichen Eigenschaften
Implantatgetragene Versorgungen sind starr im Knochen verankert. Deshalb ist es wichtig, auf Implantaten kaukraftabsorbierende Restaurationsmaterialen einzusetzen, die das Risiko einer Überbelastung des Antagonisten, der Restauration und des periimplantären Knochens minimieren. Die natürliche Zahnhartsubstanz ist ein ausgewogenes Hybrid aus widerstandsfähigem Schmelz und vergleichsweise elastischem Dentin. Wie dieses Erfolgsrezept der Natur auf implantatgetragene Kronenversorgungen übertragen werden kann, erläutern Zahnarzt Dr. Mauro Fazioni und Zahntechniker Andrea Lombardo. Im folgenden Fall nutzten die Autoren für die Suprakonstruktionen mit der Hybridkeramik VITA ENAMIC IS und der Feldspatkeramik VITABLOCS TriLuxe forte (beide VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland) zwei unterschiedliche CAD/CAM-Materialien, um damit Elastizität und Verschleißbeständigkeit intelligent miteinander zu kombinieren.
1. Patientenfall und Materialwahl
Ein 32-jähriger Patient wurde in der Praxis vorstellig, da aufgrund von Nichtanlagen an 35 und 45 zwei persistierende Milchzähne nicht mehr erhaltungswürdig waren. Nach eingehender Beratung entschied sich der Patient für eine Extraktion der Milchzähne und eine implantologische
Versorgung. Um das elastische Dentin nachzubilden, sollten die Abutments aus der Hybridkeramik VITA ENAMIC IS mit ihrer dentinähnlichen Elastizität individuell gefertigt werden. Die bereits integrierte Schnittstelle ermöglichte eine effiziente CAD/CAM-gestützte Fertigung und gewährleistete eine präzise Passung zur Titanbasis. Die Reproduktion von Farb- und Lichtspiel sowie funktionellen Eigenschaften des mineralischen Schmelzes sollten mit Kronen aus der polychromen Feldspatkeramik VITABLOCS TriLuxe forte umgesetzt werden.
2. Chirurgie und CAD-Design
Die beiden Milchzähne wurden unter lokaler Anästhesie extrahiert. Nach einer Abheilzeit von drei Monaten wurden zwei Ankylos-Implantate an 35 und 45 inseriert. Nach Einheilung und Freilegung der Implantate wurden Scanbodies aufgesetzt und die Situation wurde mit der Omnicam digitalisiert. In der InLab-Software (alles Dentsply Sirona, Bensheim, Deutschland) konnten nun Abutments und Kronen analog zum natürlichen Zahnaufbau konstruiert werden, um diese danach mit den CAD/CAM-Materialien VITA ENAMIC IS und VITABLOCS TriLuxe forte anzufertigen. Die koronalen Ränder wurden dabei nicht subgingival angelegt, um eine saubere und einfache adhäsive Zementierung der Kronen unter Kofferdam zu gewährleisten. Zur Passungskontrolle wurde zusätzlich ein Modell mit integrierten Implantatanaloga additiv hergestellt (XFAB, DWS, Vicenza, Italien).
3. CAM-Fertigung Implantatprothetik
Nach CAM-Fertigung, manueller Ausarbeitung und Passungskontrolle wurden die hybridkeramischen Abutments mit der Titanbasis verklebt. Dazu wurden die Klebeflächen des Abutments für 60 Sekunden mit Flusssäure (5 %) geätzt und anschließend silanisiert. Die Klebeflächen der Titanbasen wurden mit 50 μm Aluminiumoxid bei 1,5 bar abgestrahlt und ein Metallprimer wurde aufgetragen. Die adhäsive Verklebung wurde mit einem opaken Befestigungskomposit durchgeführt. Nach Anhärtung und Entfernung der Überschüsse folgte die Endhärtung unter Glyzeringel, um die Bildung einer Sauerstoffinhibitionsschicht zu verhindern. Schließlich wurden die Fissuren der CAM-gefertigten und manuell ausgearbeiteten Feldspatkeramikkronen mit den Keramikmalfarben VITA AKZENT PLUS EFFECT STAINS 06 (rostrot) charakterisiert und danach mittels Glasurmasse glasiert.
4. Einprobe, finales Ergebnis und Fazit
Bei der klinischen Einprobe zeigten sich nach der Entfernung der Gingivaformer absolut gesunde Weichgewebsverhältnisse und ein spannungsfreier Sitz der Versorgungen, sodass diese zur definitiven Eingliederung vorbereitet werden konnten. Dafür wurden die Klebeflächen von Abutments und Kronen extraoral mit Flusssäure geätzt und silanisiert. Nach dem Einschrauben der Abutments wurde ein Kofferdam angelegt. Daraufhin wurde die Krone mit dem Abutment intraoral verklebt. Durch den volladhäsiven Verbund von Hybridkeramikabutment und Feldspatkeramikkrone wurde eine biomimetische Einheit erzielt, die sowohl ästhetisch wie auch funktionell den Zahnaufbau sehr gut nachbildete. Dank der kaukraftabsorbierenden Eigenschaften der Hybridkeramik wird für diese Versorgung eine gute Langzeitbeständigkeit erwartet. Zudem kann diese monolithische Versorgung auch ästhetisch überzeugen, da die Feldspatkeramikkronen über einen integrierten Farbgradienten verfügen.
Bericht 04/20
Dieser Beitrag wurde initial im CAD/CAM International Magazine of Digital Dentistry, Italian edition n. 02/2019 veröffentlicht.
Zahntechniker Andrea Lombardo und Zahnarzt Dr. Mauro Fazioni Verona, Italien
VITA ENAMIC ist die weltweit einzigartige dentale Hybridkeramik mit einer dualen Keramik-Polymer-Netzwerkstruktur. VITA ENAMIC liegt mit einer Elastizität von 30 GPa im Bereich von menschlichem Dentin. Dank der integrierten Elastizität verfügt der Werkstoff über kaukraftabsorbierende Eigenschaften und minimiert so das Risiko einer funktionellen Überbelastung.
Quelle: Interne Untersuchung VITA F&E; Berechnung der Elastizitätsmodule o. g. Materialien aus Spannungs-Dehnungs-Diagrammen von Biegefestigkeitsmessungen, Bericht 03/12, publiziert in Techn.-Wiss. Dokumentation VITA ENAMIC, Download via www.vita-enamic.com
*) Hinweis: Mit einer Elastizität von 30 GPa liegt VITA ENAMIC im Bereich von menschlichem Dentin. Literaturangaben zum Elastizitätsmodul von menschlichem Dentin weisen eine große Bandbreite auf.
Quelle: Kinney JH, Marshall SJ, Marshall GW. The mechanical properties of human dentin: a critical review and re-evaluation of the dental literature. Critical Reviews in Oral Biology & Medicine 2003; 14:13–29
Abb.1: Die Ausgangssituation mit persistierenden, nicht erhaltungswürdigen Milchzähnen in regio 34 und 35.
Abb. 2: Nach der Einheilung der Implantate wurden diese freigelegt und Scanbodies für die virtuelle Abformung aufgesetzt.
Abb. 3: Die gescannte intraorale Situation im Unterkiefer in der InLab-CAD-Software.
Abb. 4: Das virtuelle Modell des Unterkiefers war die Grundlage für die additive Fertigung eines Kontrollmodells.
Abb. 5: Das additiv hergestellte Modell mit integrierten Implantatanaloga in regio 34 und 35.
Abb. 6: Das Weichgewebe heilte bis zur definitiven Versorgung mit Gingivaformern ab.
Abb. 7: Die periimplantäre Gingiva zeigte sich gut ausgeformt und völlig entzündungsfrei.
Abb. 8: Die implantatprothetischen Suprakonstruktionen passten bei der Einprobe spannungsfrei.
Abb. 9: Die Kronenränder konnten auf dem hybridkeramischen Abutment optimal gestaltet werden.
Abb. 10: Die Situation in regio 34 direkt nach der volladhäsiven Eingliederung der Feldspatkeramikkrone aus VITABLOCS TriLuxe forte.
Abb. 11: Auch die Feldspatkeramikkrone an 35 wirkte vollkommen natürlich.
Abb. 12, Ergebnis: Beide implantatprothetischen Versorgungen integrierten sich harmonisch in den natürlichen Zahnbogen.